Rede der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zum Haushalt 2023 der Stadt Gütersloh

Es gilt das gesprochene Wort.

Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

intensive Haushaltsberatungen liegen hinter uns, das habe ich schon im letzten Jahr gesagt. Aber von einem Jahr auf das andere haben sich die Gründe dafür wesentlich verändert. Im letzten Jahr haben uns in erster Linie die Folgen der Corona-Pandemie beschäftigt. In diesem Jahr beschäftigt uns darüber hinaus der unmenschliche russische Angriffskrieg gegen die Ukraine und die Folgen daraus. Das sind für uns beispielsweise die Aufnahme von Geflüchteten aus der Ukraine und die Energiekrise, die jeden einzelnen von uns betrifft, aber auch besonders unsere Tochterunternehmen und Eigenbetriebe wie das Klinikum, die Bäderbetriebe und den Öffentlichen Personennahverkehr. Aus finanzieller Sicht hat uns die drohende Haushaltssicherung besonders beschäftigt. Dieses Damoklesschwert hing während der gesamten Beratungen über uns.


Bei der Haushaltseinbringung durch den Bürgermeister und die stellvertretende Kämmerin lag das Defizit des Haushalts 2023 bei – 44,7 Mio. Euro und es standen 116 Millionen Euro an Investitionen an. Diese Summen konnten wir durch erste intensive Konsolidierungsgespräche mit den anderen demokratischen Fraktionen bereits deutlich absenken. Denn von den Fraktionen wurde eine Liste mit Vorschlägen und Ideen für Sparmaßnahmen erarbeitet, die den gesamten Haushaltsentwurf 2023 betreffen, insbesondere die investiven Ausgaben. Alle 30 Positionen wurden schließlich mit der Verwaltung besprochen, Fragen geklärt und Möglichkeiten zum Streichen und Schieben erörtert. Die Veränderungsliste wurde am Montag im Finanzausschuss vorgelegt. Ein erster Erfolg und ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung, dank der gemeinsamen Arbeit der Fraktionen. Möglich wurde das, weil die Fraktionen sich darüber einig waren, dass wir unverzüglich mit Maßnahmen zur Haushaltskonsolidierung starten müssen.


Der vom Bürgermeister vorgelegte Entwurf für den Haushalt 2023 hatte nur einen sehr kleinen Puffer von 500.000 Euro eingeplant. Damit hätten geringe Veränderungen ins Negative bereits die drohende Haushaltssicherung näher rücken lassen. Vorrangiges Ziel der fraktionsübergreifenden Zusammenarbeit ist es, die Stadt Gütersloh, vor einer Haushaltssicherung zu bewahren und so Entscheidungsfreiraum und Entwicklungsmöglichkeiten zu erhalten.


Trotz der Freude über das Ergebnis unserer ersten Bemühungen, wollen wir an dieser Stelle noch mal deutlich Kritik daran üben, dass auch diese Initiative, wie auch schon viele andere zuvor, nicht auf dem Engagement des Bürgermeisters beruhte, sondern vielmehr durch den gemeinsamen Einsatz und die konstruktive, lösungsorientierte Zusammenarbeit der demokratischen Fraktionen möglich war. Wäre es nach der Vorstellung des Bürgermeisters gegangen, hätten wir uns erst im neuen Jahr mit möglichen Sparmaßnahmen beschäftigt. Viel zu spät aus unserer Sicht.


Wir sagen es hier ganz deutlich: Wir hätten den Haushaltsentwurf wie ihn der Bürgermeister vorgelegt hat, abgelehnt, er war so für uns nicht zustimmungsfähig. Aber der Bürgermeister lies es drauf ankommen und blieb untätig. Keine kurzfristige Einladung für den Arbeitskreis Konsolidierung, wie von den Fraktionen gefordert, keine Sparvorschläge und keine Initiative von Seiten des Bürgermeisters.
Bei einer Ablehnung hätte der Haushalt 2023 möglicherweise erst im nächsten Jahr beschlossen werden können und die Verwaltung wäre wochenlang ausgebremst gewesen.


Klar ist, dass die Sparmaßnahmen viele von uns treffen und enttäuschen werden, für viele von uns sind die Einsparungen sicherlich auch schmerzvoll, ärgerlich und unbequem. Das lässt sich leider nicht vermeiden.
Wir Grüne hatten und haben uns Ziele für Einsparungen im Haushalt gesetzt: Klimaschutzmaßnahmen und Schulbaumaßnahmen sollen nicht angetastet werden. Funktionierende Strukturen sollen erhalten bleiben, aber keine neuen Fördergelder oder Projekte beschlossen werden. So wollen wir Sparmaßnahmen zu Lasten von Kindern und Jugendlichen vermeiden.


Wir sind der Meinung, dass Kinder und Jugendliche in den letzten drei Jahren genug durchgemacht haben und die aktuelle Lage ist auch nicht gerade rosig. Als Beispiel möchte ich nur die Situation in den Kindertagesstätten erwähnen. Sie ist dramatisch; fehlendes Fachpersonal und aktuell ein extrem hoher Krankenstand haben zur Folge, dass Erzieherinnen und Erzieher kaum noch den pädagogischen Aufgaben nachgehen können, so wurde es uns im Jugendhilfeausschuss berichtet. Aber das ist nicht die einzige Sache, die uns in puncto Kinderbetreuung Kopfschmerzen bereitet.


Die evangelischen Kitaträger haben angekündigt, die Trägeranteile für die sechs Kitas, die sie hier in der Stadt betreiben, nicht mehr stemmen zu können. Sie haben die Stadt gebeten, die Trägeranteile zu einhundert Prozent zu übernehmen, um sicher zu stellen, dass die evangelische Kirche ihr Angebot aufrechterhalten kann. Vor der Haushaltseinbringung waren wir Grüne recht optimistisch, dass dies realisierbar ist. Aber inzwischen sieht die Situation doch ganz anders aus. Die Mitglieder des Jugendhilfeausschusses haben die Notwendigkeit für die volle Übernahme der Trägeranteile aus fachlicher Sicht bestätigt – darin sind wir uns einig. Aber Tatsache ist: Wir können die zusätzlichen 1,2 Millionen Euro, die nötig wären, um die Trägeranteile zu einhundert Prozent zu übernehmen, einfach nicht stemmen im Moment. Auch eine 75 Prozentlösung ist mit den derzeitigen Zahlen nicht darstellbar. Schweren Herzens und in der Hoffnung, dass die kirchlichen Träger noch etwas warten können und die Flinte nicht ins Korn werfen, mussten wir ihnen in der letzten Woche eine Absage erteilen. Aus unserer Sicht wird es daher im Arbeitskreis Konsolidierung eine wichtige Aufgabe sein, intensiv zu prüfen, wie wir die Kitaträger nachhaltig entlasten und die Beiträge auch in Zukunft auf sichere Füße stellen können.
Der neu gegründete Arbeitskreis Konsolidierung soll ein Gremium sein, welches einen Blick auf den gesamtstädtischen Haushalt wirft und versucht, mögliche Einsparpotenziale zu verifizieren und zu heben. Darüber hinaus soll er Optimierungspotentiale aufdecken, die interkommunale Zusammenarbeit stärken und Synergien nutzen. Auch eine Aufgabenkritik der städtischen Leistungen und Priorisierungsvorschläge sollen erarbeitet werden. Und da wir von der GemeindePrüfungsAnstalt auch drauf hingewiesen wurden, müssen wir über eine zeitliche Streckung der wichtigsten Investitionsvorhaben nachdenken. Das wird nicht einfach, denn wir müssen die Auswirkungen auf die Baukosten, auf die Abschreibungen und Zinslasten der jeweiligen Vorhaben sowie die mittelfristige Finanzplanung des Haushaltes im Auge haben. Wir werden auch die freiwilligen und steuerbaren Leistungen der Stadt Gütersloh kritisch hinterfragen müssen. Dafür benötigen wir eine strukturierte Organisationsuntersuchung. Und wahrscheinlich wird dieser Prozess und die Ergebnisse daraus, nicht ohne den einen oder anderen schmerzhaften Verzicht zu machen sein.


Das Ziel ist und bleibt eine nachhaltige finanzielle Gesundung des Haushalts, um die Handlungsfähigkeit unserer Stadt zu erhalten und die weiterhin drohende Haushaltssicherung auch in Zukunft abzuwenden. Wir müssen und werden Prioritäten hinsichtlich der Investitionen setzen müssen. In diesem Zusammenhang freuen wir uns auf unseren neuen Beigeordneten und Kämmerer Thomas Könnecker, der ein erfahrener Projektsteuerer ist. Verwaltung und Politik müssen gemeinsam Strategien erarbeiten, um mittelfristig einen strukturell ausgeglichenen städtischen Haushalt aufzustellen. Denn wenn uns das nicht gelingt, wird uns die Bezirksregierung verpflichten, alles zu unternehmen, um durch Verringerung der Ausgaben und durch Erhöhung der Einnahmen dieses Ziel so schnell wie möglich zu erreichen. Insbesondere beinhaltet dies die Pflicht, von Einnahmen mindernden Maßnahmen grundsätzlich abzusehen. Besonders schwierig dürfte es dann werden, die vielen freiwilligen Leistungen, die die Stadt übernimmt, in gewohnter Form beizubehalten. Auch Steuererhöhungen wären dann wahrscheinlich unumgänglich. Das wollen wir nicht.


Was wir auch nicht wollen: Am Ausbau der Schulen sparen. Der zukunftsfähige Ausbau der Schulen ist unbedingt erforderlich und wurde auch bereits viel zu lange aufgeschoben. Deswegen stehen wir voll und ganz hinter den Investitionen für Bildung und in die zukunftsfähigen Schulen. Vergessen wir nicht, wie viel Zeit unsere Kinder in der Schule verbringen. Es ist für uns eine vordringliche Aufgabe dafür zu sorgen, dass ausreichend Platz zum Lernen und Spielen vorhanden ist.


Im Bereich der Schulen haben wir neben dem Ausbau der Grundschulen viele große Projekte wie die Erweiterungen und Sanierungen des Städtischen Gymnasiums, des Evangelisch Stiftischen Gymnasiums, der Janusz-Korczak-Schule und der Anne-Frank-Schule sowie die Fertigstellung der 3. Gesamtschule geplant. Diese Baumaßnahmen gilt es, so zügig wie möglich umzusetzen, damit wir gut gewappnet sind, wenn der Peak der Schülerinnenzahl in Kürze erreicht ist. In diesem Jahr haben wir das Experiment „Bürgerrat“ gestartet. 27 Gütersloherinnen haben sich Zeit genommen und Gedanken darüber gemacht, wie Gütersloh zukünftig enkeltauglich werden kann. Und wenn wir uns die Ergebnisse anschauen, finden wir, dass sie sich sehen lassen können. Die Idee einer Energiegenossenschaft halten wir für besonders unterstützenswert. Eine ökologisch orientierte bezahlbare Energieversorgung für alle Bürgerinnen. Von Bürgerinnen für Bürgerinnen. Diesem Impuls wollen wir gern folgen und uns dafür einsetzen. Denn es ist ganz im GRÜNEN Sinne des Klimaschutzes. Wir werden nicht müde, uns für den Ausbau von Solarenergie stark zu machen und die Umsetzung des neuen Klimaschutzkonzepts 2.0 als drängende Aufgabe anzusehen. Auch die weiteren sechs Themen, die der Bürgerrat erarbeitet hat, sollten wir weiterverfolgen, zusammen mit dem Bürgerrat und mit weiteren Bürgerinnen. Da sehen wir in erster Linie die Attraktivierung der Innenstadt sowie die Themen „Öko-Park / Urban Garden“ und „Gut zusammenwohnen“. Der Prozess soll weitergehen und an der Umsetzung der Ideen weitergearbeitet werden.


Die Themen passen gut zur Klimaoase, zu der wir unsere Innenstadt machen möchten. Wir nehmen dabei insgesamt das Ziel, die Innenstadt attraktiver zu machen und neue, innovative Wege für die Stadtentwicklung zu finden, in den Fokus.


Die Zuschussbedarfe für erforderliche Investitionen unserer Tochterunternehmen und Eigenbetriebe schlagen sich im Haushalt 2023 ebenfalls deutlich nieder: Bei den Stadtwerken Gütersloh für die Energie- und Mobilitätswende, für neue Busse, den Ausbau von Ladeinfrastruktur und Glasfaserausbau. Erfreulicherweise können wir in 2023 in den Geschäftsfeldern Bäder und ÖPNV wieder mit steigenden Umsatzerlösen planen, auch wenn mittelfristig das Niveau von vor der Corona-Pandemie nicht erwartet wird.


Die Mobilitätswende ist uns ein großes Anliegen. Dazu gehört auch die Verbesserung des Öffentlichen Personennahverkehrs. Leider zwingt uns die aktuelle Haushaltslage dazu, den Beschluss zur erfolgversprechenden Leistungsausweitung unseres ÖPNV-Systems zurückzustellen und erstmal zu vertagen bis der Konsolidierungsprozess vorangeschritten ist. Schade vor allem deshalb, weil die Verbesserung des ÖPNVs auch für das eingeführte Schülerticket wichtig ist. Nur ein gutes, verlässliches Bus- und Schienensystem sorgt für die umfassende Nutzung des Tickets und die Steigerung der Attraktivität. Wir freuen uns, dass der Beschluss zur Fortführung des Schülertickets zunächst für zwei Jahre aktuell mehrheitlich bestätigt wurde. Das bietet die große Chance, dass Schüler*innen ihr Mobilitätsverhalten nachhaltig ändern.


Wir möchten hier betonen, wie sehr wir uns darüber freuen, dass der Innovationsmanufaktur IMA offenbar ein guter Start gelungen ist. Seit der Eröffnung Ende September dieses Jahres ist ein wichtiger Ort für Vernetzungen und Zusammenarbeit entstanden, eine Keimzelle für Unternehmensgründungen und ein Anziehungspunkt für hochqualifizierte Fachkräfte in Gütersloh. Vielen Dank an Herrn Pförtner und das Team der concept GT, die mit viel Engagement dieses Projekt in die Tat umgesetzt haben. Mit der concept haben wir einen guten Partner an der Seite für unsere weiteren Investitionsprojekte wie den Bau von kostengünstigem Wohnraum, energetische Modernisierungen und der Entwicklung des Mansergh Quartiers.


Noch ein paar Worte zum Mansergh Quartier. Wir haben hier die Chance, ein zukunftsfähiges Wohngebiet zu entwickeln, das sich den Zielen des Klimaschutzes, der Erneuerbaren Energien, der Verkehrswende verpflichtet und gute Wohn- und Lebensqualität bietet. Neue Ansätze wie zum Beispiel Schwammstadt, Erdwärmenutzung, Dach- und Fassadenbegrünung, Quartiersgaragen, autoreduziertes Quartier, neue Wohnformen, Wohnungsmix für eine verträgliche, soziale Durchmischung, bezahlbarer Wohnraum, attraktives Wohnumfeld mit hoher Aufenthalts- und Nutzungsqualität – um nur einige wichtige Merkmale des neuen Quartiers zu nennen -, sollen dort aufgegriffen werden und zu einem innovativen, nachhaltigen Quartier beitragen.


Liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Verwaltung. Wir können uns gut vorstellen, dass Sie über die eine oder andere politische Entscheidung hinsichtlich der vorgeschlagenen Stellenneugründungen enttäuscht sind. Bitte glauben Sie uns: Wir haben uns die Entscheidungen nicht leicht gemacht. Intensive Beratungen sind den Entscheidungen vorausgegangen. Nach der Reduzierung von 47 auf 32,5 Stellenneugründungen sind wir nun in der Lage, dem geänderten Stellenplan insgesamt zuzustimmen. Wir hoffen, dass die neuen und die ca. 50 anderen freien Stellen recht bald besetzt werden können.
Ich möchte mich in Namen der GRÜNEN Ratsfraktion bei allen in der Verwaltung bedanken, die uns bei unseren Haushaltsberatungen unterstützt, mit uns diskutiert und unsere Fragen beantwortet und die von der Politik vorgeschlagenen Sparmaßnahmen mitgetragen haben. Vielen Dank.


Wir hoffen darauf, dass die im Januar beginnende Fortsetzung der Konsolidierung des Haushalts von allen Fraktionen und von der Verwaltung gemeinsam vorangebracht wird, in einem konstruktiven Miteinander, in einem strukturierten Prozess zum Wohle von Gütersloh.


Wir GRÜNE stimmen dem insgesamt durch die Initiative der Politik deutlich geänderten Haushalt für das Jahr 2023 zu. Mit unserer Zustimmung übernehmen wir – wie in den letzten Jahren auch schon – Verantwortung für die Handlungsfähigkeit und für die zukunftsweisende Entwicklung unserer Stadt.

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